„Im Nachhinein ein großer Fehler!“
Schnelles Internet ist eine elementare Voraussetzung für digitalen Unterricht. Damit die Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte überhaupt auf digitale Inhalte zurückgreifen können, braucht es eine möglichst schnelle und stabile Anbindung. Im Vergleich mit den Schulen haben private Haushalte einen entscheidenden Vorteil. Hier teilen sich weitaus weniger Personen dieselbe Anbindung, deren Kapazität in den Schulen bei mehreren Hundert Anwender(innen) oftmals nicht ansatzweise ausreichend ist. In den Schulen braucht es schlichtweg schnellere und stabilere Lösungen.
Andere Länder sind Deutschland hier mittlerweile enteilt. „Es gab Versäumnisse in den letzten Jahrzehnten, als mehr auf Kupferkabel gesetzt wurde und weniger auf Glasfaserkabel“, erklärte der Bildungspolitiker Christoph Bratmann in einem Interview mit unserem Magazin und sieht darin im Nachhinein den großen Fehler: „Deshalb haben uns andere Länder, insbesondere auch Länder aus dem sogenannten früheren Ostblock, überholt. Die hatten nicht die Gelegenheiten, in den Neunziger Jahren die Fehler zu begehen, die wir uns in den Achtzigern in Deutschland erlaubt haben. Bei diesem klassischen Strukturproblem müssen wir nun versuchen aufzuholen“, forderte der SPD-Landtagsabgeordnete.
„Für mehr ist keine Bandbreite da!“
Die vermehrte Nutzung digitaler Medien im Schulalltag stieg als Begleiterscheinung der Covid-19-Pandemie und des Homeschooling-Szenarios um ein Vielfaches. Damit wuchsen automatisch auch die Anforderungen an die Internetanbindung. DSL erfüllt 2021 schon längst nicht mehr die Voraussetzungen, die für zukunftsfähige Online-Angebote, digitale Schul- oder Lernplattformen vonnöten sind. Dafür brauchen die Schulen ausreichend starke Kapazitäten. Alle Schülerinnen und Schüler müssen zeitgleich auf das Internet zugreifen können, ohne, dass Leistung und Geschwindigkeit darunter leiden. Das sieht laut Verena Pausder in der Realität oftmals anders aus als in der Vorstellung: „Neulich war ich an einer [Schule] mit 1.000 Schülern – da können zwei Videokonferenzen parallel aus der Schule gestreamt werden. Für mehr ist keine Bandbreite da“, bemängelte die Erfolgsautorin in einem Interview mit dem Nachrichtensender n-tv.
Selbst in Niedersachsen, das im nationalen Vergleich bei der Schuldigitalisierung weit vorne zu finden ist, gilt die Versorgung der Schulen mit Breitbandanbindung noch als ausbaufähig. Wo die digitale Schulplattform IServ beinahe flächendeckend genutzt wird, lässt sich die Anwendergeschwindigkeit der Schulen in der Praxis leicht messen. Mit einer gravierenden Erkenntnis! „Nur 25 Prozent der Schulen in Niedersachsen verfügen bisher über eine ausreichende Internetanbindung, um beispielsweise Videokonferenzen oder interaktive Lernangebote in der Cloud überhaupt sinnvoll nutzen zu können“, erklärte unser Gründer Jörg Ludwig kürzlich im Rahmen einer Anhörung des niedersächsischen Landtages, in der es darum ging, die Erkenntnisse aus der Pandemie herauszufiltern. Wie also sollen digitale Medien interaktiv genutzt werden, wenn das Internet schon beim Abspielen eines Lehrvideos zusammenbricht? Doch nicht nur in Niedersachsen muss eine flächendeckende Breitbandanbindung her. „Es braucht den Breitbandausbau, damit wir generell ein schnelleres Internet haben und keine Regionen bei der Digitalisierung abgehängt werden“, betonte Christoph Bratmann gegenüber Just School. Daraus ergibt sich eine bundesweite Notwendigkeit, überall dieselben Gegebenheiten zu schaffen, um jeder Schule die Möglichkeit zum digitalen Arbeiten zu bieten.
„1 Gbit/s für 500 Schülerinnen und Schüler“
Ein positiver Trend zeichnet sich dennoch ab. Viele Schulen setzen bereits jetzt auf 50- oder 100- Megabit-Leitungen. Für die Schuldigitalisierung ist dies zwar immer noch nicht ausreichend, ist aber ein erster Schritt auf dem Weg hin zu schnelleren Breitbandanbindungen. Was in Zeiten vom DigitalPakt finanzierter Endgeräte notwendig ist, deute das IT-Fachmagazin Heise.de Ende Mai in einem umfangreichen Beitrag an (Link): „Eine 1-zu-1-Ausstattung mit digitalen Endgeräten mit Netzzugang stellt (…) hohe Ansprüche an die Netzanbindung der Schule. 1 Gbit/s bidirektional für 500 Schülerinnen und Schüler, das ist eine gute Faustregel.“ In Grundschulen dürfe das schon mal etwas aber nicht viel weniger, in großen weiterführenden Schulen und Berufskollegs etwas mehr sein.
Der Weg dorthin ist noch weit. Nur wenige Schulen in Deutschland verfügen über derartige Bandbreiten: „Noch Mitte 2020 hatte nicht einmal jede dritte Schule einen Breitbandanschluss, von 1000 Mbit/s ganz zu schweigen“, hebt der Autor und Biophysiker Joachim Paul in dem vielsagenden Heise-Beitrag hervor und lässt nicht unerwähnt: „Die Pandemie hat allerdings den Netzausbau zusätzlich beschleunigt.“
Parallel wurden jedoch auch neue Herausforderungen aufgedeckt. „Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie groß der Investitionsstau hinsichtlich des Breitbandausbaus ist“, betont Jörg Ludwig. Ein langer Atem sei hier vonnöten: „Dieses Problem ist nicht in den nächsten Wochen zu lösen, sondern ist eine Aufgabe für die nächsten Jahre. Für die jetzige Krise sind wir damit leider zu spät, müssen nun aber versuchen aufzuholen“.