Es geht darum, die Technik wirklich zu verstehen
Auf das Projekt SolarMobil ist Thomas Krummel schon 2013 gestoßen, als Elektromobilität gerade wieder auf dem Weg aus der Nische war. Der mehrstufige MINT-Wettbewerb will junge Menschen spielerisch für nachhaltige Mobilität und Technik begeistern. Das Vehikel: kleine Rennautos, die allein mit Energie aus Solarzellen fahren, ganz ohne Batterie. Das Konzept von SolarMobil ist so angelegt, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Fahrzeuge wirklich selbst konstruieren und die Technik dahinter verstehen.
Ein Drittel der Punkte vergibt die Jury daher für einen kurzen Vortrag, in dem die Teams die Besonderheiten ihrer Konstruktion an einem selbst entworfenen Plakat erklären. Ohne Lehrkraft. Emotionaler Höhepunkt, der mit zwei Dritteln in die Wertung einfließt: die Rennen, unterteilt in Kategorien wie Ultraleichtklasse A (14 Jahre und jünger) und Ultraleichtklasse B (18 Jahre und jünger). Je Rennen treten auf drei Bahnen insgesamt drei Teams einer Altersklasse gegeneinander an. Da die Lichtverhältnisse unterschiedlich sind, besteht jeder Lauf aus drei Runden, bei denen die Teams die Bahnen wechseln. Punkte gibt es nach Platzierung. Beim großen Finale, das in diesem Jahr an einem Wochenende in Dortmund stattfand, waren Dutzende Teams aus ganz Deutschland dabei.
Tigerente, Schwarzes Phantom und Glücksrad auf der Überholspur
0,03 Sekunden war die mit gefährlichen Buntstift-Streifen verzierte Tigerente von Johann und Justin in der Ultraleichtklasse A schneller im Ziel und holte damit den Meistertitel. Schwarzes Phantom, ebenfalls von der Solarauto-AG, landete auf Platz Drei. Die Herausforderung bei den »Kleinen«: in drei Runden zehn Meter auf einer Holzbahn mit Führungsschiene zurücklegen, durch einen automatischen Umschalter oder per Hand wenden und zehn Meter zurückfahren. Im Optimalfall. Viele Mobile schafften nicht die ganze Strecke.
Die »Großen« in Ultraleichtklasse B mussten die Bahn je Runde zweimal hin und zurückfahren. Insgesamt 40 Meter, auf denen sie ihr Fahrzeug nicht berühren durften. In der Mitte der Strecke kam ein 1,6 Meter langer Tunnel dazu, der Licht wegnahm – und einiges an Nervenkitzel hinzufügte. Ein Kondensator, d. h. ein elektrischer Energiespeicher? Nicht erlaubt. Letztlich war es extrem knapp. Die Hankensbütteler hatten extra einen Rotationsspeicher entwickelt: eine Scheibe, die ein zweiter Motor zur Rotation bringen sollte. Im Tunnel sollte sie dann wieder auslaufen und die gespeicherte Energie an den Fahrmotor abgeben. Im letzten Moment haben sie ihn dann im Hotelzimmer doch wieder abgelötet. Er hatte bei den Tests zu viel Energie von den Solarzellen abgezweigt und das Fahrzeug zugleich 30 Gramm schwerer gemacht.
Glücksrad war hervorragend unterwegs, genau genommen über weite Strecken als einziger Kandidat: Ein Konkurrent blieb direkt am Start stehen, der zweite im Tunnel. In Runde Zwei wurde das Solar-Auto der AG durch ein Missgeschick eines anderen Teams ausgebremst. Danach kam es in Rund Drei weiter als alle anderen, aber um zehn Meter nicht ins Ziel: Beim Wenden versagte der Umschaltmechanismus. Gäbe es einen Sieger, käme der vermutlich aus Hankensbüttel. Das Team ist noch immer tiefer erschüttert als von einem fiesen Foul gegen den Lieblingsfußballer.
Eine wertvolle Brücke zur Praxis
Die Ideen für ihre Fahrzeuge haben die Schüler weitgehend selbst entwickelt. Krummel hat ihnen natürlich Wissen an die Hand gegeben und sie angeleitet. Während die Kinder konstruiert haben, hat er ihnen immer wieder über die Schulter geschaut und erklärt. Das hat gut funktioniert – im Präsenzunterricht und sogar per Videokonferenz auf Distanz. In den Zweierteams sind so ganz unterschiedliche Ansätze entstanden. Für Krummel ist die Brücke von seinen Anleitungen und Medien wie Videos zur Praxis besonders wertvoll: »Viele haben noch nie etwas gebohrt oder gelötet. Manche wissen nicht, wie man ein Geodreieck richtig anlegt.« Das Projekt schult die Feinmotorik, die bei Digital Natives oft zu kurz kommt.
Die Vorgaben für die Fahrzeuge sind bei allen Etappen des Wettbewerbs unterschiedlich. In Dortmund waren ein bestimmter Motor plus Fahrwerk und Karosserie aus Tetrapack Pflicht. Ihre Solar-Mobile müssen die Teilnehmer(innen) daher immer wieder neu konstruieren. Viele Teile haben die Hankensbütteler sich selbst überlegt, in 3D-Programmen gezeichnet und dann mit dem 3D-Drucker gedruckt – z. B. für ein Getriebe mit besonders wenig Reibungswiderstand.
»Was wir hier haben, ist etwas ganz Besonderes«
Das Engagement ging bei den Kindern weit über den Physiksaal hinaus, freiwillig auch mal ins Wochenende. Für Krummel hat der Feierabend oft später begonnen – sehr viel später. Trotzdem ist er seit 2013 bei der Aktion dabei. Sein Wissen hat er sich selbst angeeignet und die Technik Jahr für Jahr immer weiter ausgefeilt. »Was wir hier haben, ist etwas ganz Besonderes – in mehrfacher Hinsicht.« hebt Schulleiterin Cornelia Röhrkasten diesen herausragenden Einsatz stolz hervor.
Die Solarauto-AG freut sich schon auf die Deutsche Meisterschaft 2023 in Kassel. Die Bahn wird hier die Form einer Acht haben. Die Fahrzeuge müssen also lenkbar sein – eine gar nicht so kleine Herausforderung. Aber die Hankensbütteler sind natürlich Profis. Zum Training konstruieren sie gerade ihre eigene sechs Meter lange Teststrecke, sehr wahrscheinlich mit ein paar Kurven. Was sie sich für die Zukunft wünschen? Mehr Schulen, die mitmachen und eine starke Konkurrenz. Dabei ist auch nicht schlimm, wenn andere sich den einen oder anderen Kniff abschauen. Der eigentliche Treibstoff der SolarMobile ist eindeutig Herzblut – und genau der bringt die Begeisterung in den Physiksaal.
Mehr Informationen zum Wettbewerb SolarMobil unter: solarmobil-deutschland.de